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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.07.2005
Aktenzeichen: 4 U 182/04
Rechtsgebiete: LMBG, UWG, ZPO, NemV, BGB
Vorschriften:
LMBG § 11 | |
LMBG § 18 | |
LMBG § 18 Abs. 1 | |
LMBG § 18 Abs. 1 Nr. 4 | |
UWG § 1 a.F. | |
UWG § 3 | |
UWG § 4 Nr. 11 | |
UWG § 8 Abs. 1 | |
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2 | |
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3 | |
UWG § 8 Abs. 4 | |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 | |
ZPO § 138 Abs. 4 | |
NemV § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 339 S. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08. September 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Zahlungsklage wird abgewiesen.
Der Beklagte zu 2) trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten im vollen Umfang. Die Klägerin trägt 2/7 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 2/7 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 1) und 2) tragen 5/7 der außergerichtlichen Kosten des Klägers und die Beklagte zu 1) trägt 5/7 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/7 und die Beklagten 5/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers gehört es, die Interessen seiner zahlreichen Mitglieder aus allen Wirtschaftsbereichen zu wahren. Zu seinen Mitgliedern zählen u.a. Heilpraktiker, Hersteller von Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Hersteller und Vertreiber von Naturheilmitteln und pharmazeutischen Produkten, ein Hersteller von Kraftsportnahrung sowie sonstige Lebensmittelbetriebe.
Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel, u.a. damals das Produkt "O Augen-Kapseln".
Im Zusammenhang mit der Werbung u.a. über Wirkungen dieses Produkts bei der sog. Makuladegeneration gab die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28. April 2003 eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung ab, in der sie versprach, es zu unterlassen, für das Produkt "Augen-Kapseln" mit der Aussage, "Augen-Kapseln schützen vor Makuladegeneration", zu werben (vgl. Bl. 19, 20 d.A.). Später erhöhte die Beklagte zu 1) die Vertragsstrafe auf 4.000,00 €. Der Kläger nahm die Unterwerfungserklärungen jeweils an.
Der Sender R strahlte am 9. Mai 2004 in der Zeit zwischen 15.00 und 17.00 Uhr eine Werbesendung über dieses Produkt aus. Im Studio anwesend waren ein Moderator des Senders und der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 2). Diese gaben Zuschauern während der Vorstellung des beworbenen Produkts die Möglichkeit anzurufen, Fragen zu stellen und über eigene Erfahrungen mit dem Produkt zu sprechen. Dabei erhielt auch die Zuschauerin L die Gelegenheit, sich zu dem Produkt zu äußern.
Der Kläger hat dazu behauptet, die Anruferin habe erklärt, sie wolle sich zu den Augenkapseln äußern. Sie habe gesagt, sie habe Makuladegeneration. Der Beklagte zu 2) habe sie unterbrochen und ihr erklärt, dass sie in der Sendung keine Äußerungen zu gesundheitsfördernden Wirkungen der Augenkapseln machen dürfe. Hierauf habe die Anruferin enttäuscht reagiert. Der Beklagte zu 2) habe die Anruferin nun bestätigen lassen, dass man miteinander nicht persönlich bekannt sei. Er sei fortgefahren: "Sehen Sie, aber das kann so schnell ausgelegt werden. Was Sie aber sagen können, Frau L, ist, dass Ihnen die Augenkapseln z.B. supergut tun". Die Anruferin habe dies aufgegriffen und erklärt: "Ja, das tun sie, sehr gut sogar". Der Beklagte zu 2) habe dies bejahend zur Kenntnis genommen. Die Anruferin habe ergänzt, ihr rechtes Auge sei "zum Stillstand gekommen", und dafür wolle sie herzlich Dankeschön sagen.
Der Kläger hat im Verhalten des Beklagten zu 2) einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG und auch gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten zu 1) gesehen, so dass seiner Meinung nach die Vertragsstrafe verwirkt sei.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den angekündigten Antrag sprachlich modifiziert und beantragt,
I.
Den Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel O Augen-Kapseln in audiovisuellen Medien im Dialog mit einer Zuschauerin und dem Moderator mit Äußerungen von anrufenden Zuschauern zu werben, soweit sie sich auf die Linderung von Makuladegeneration beziehen, insbesondere wie folgt zu werben:
(Beklagter) Hallo, Frau L!
(Zuschauerin) Hier ist L. Ich,
(Moderator) Ja.
(Zuschauerin) Ich wollte noch mal zu sagen zu den Augenkapseln.
(Moderator) Ja, die wir gerade gezeigt haben. Ja?
(Zuschauerin) Ja, ich habe Makuladegeneration
(Moderator) Ja.
(Zuschauerin) und am linken Auge bin ich schon blind.
(Beklagter) Frau L, da müssen wir, so unhöflich das ist, Sie unterbrechen,
(Zuschauerin) Ja.
(Beklagter) weil die Makuladegeneration eine Krankheit ist und in Deutschland wir laut Gesetz keine gesundheitsfördernden Aussagen tätig, äh, machen dürfen.
(Zuschauerin) Ne, aber ich darf doch wohl was sagen oder nicht?
(Beklagter) Nein!
(Zuschauerin) Auch nicht?
(Beklagter) Sie dürfen auch nicht, Frau L, nicht dass Sie sich jetzt bevormundet fühlen.
(Zuschauerin) Schade!
(Beklagter) ja, wir haben die Situation oft gehabt und dann;
(Zuschauerin) Ja.
(Beklagter) soll ich Ihnen sagen, wie mir das ausgelegt würde?
(Zuschauerin) Ja.
(Beklagter) Das würde mir so ausgelegt, als hätten wir vorher schon darüber gesprochen.
(Zuschauerin) Ah!
(Beklagter) Ja, dabei kennen; kennen wir uns?
(Zuschauerin) Ja, ich seh' das immer, Ihre Sendung.
(Beklagter) Ja, aber wir kennen uns; (...)
(Moderator) (...)
(Zuschauerin) Jedenfalls wollte ich nicht;
(Beklagter) Aber wir kennen uns nicht persönlich. Das meinte ich.
(Zuschauerin) ne, ne, ne!
(Beklagter) Seh'n S'e, aber das kann so schnell ausgelegt. Was Sie aber sagen können, Frau L, ist, dass Ihnen die Augenkapseln z. B. supergut tun.
(Zuschauerin) Ja, das tun sie, sehr gut sogar,
(Beklagter) Ja.
(Zuschauerin) dass mein rechtes Auge zum Stillstand gekommen ist. Und dafür wollte ich herzlich Dankeschön sagen."
II.
Der Kläger beantragt weiter, die Erstbeklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2004 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben den genauen Gesprächsablauf mit Nichtwissen bestritten. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers sei im Hinblick auf den Unterlassungsantrag nicht gegeben, da nicht angenommen werden könne, dass es den vom Kläger behaupteten Dialog noch einmal geben werde. Sie haben gemeint, für die Äußerungen der Anruferin L nicht verantwortlich zu sein. Sie hätten nämlich keinen Einfluss darauf, was zugeschaltete Zuschauer in einer live ausgestrahlten Werbesendung sagten. Bei der hier in Rede stehenden Sendung handele es sich, so haben die Beklagten ferner behauptet, um eine Werbesendung des Senders R. Dieser vertreibe die zuvor von ihm eingekauften Produkte in eigener Regie. Der Beklagte zu 2) sei lediglich als Gast hinzugebeten worden, um ggf. Fragen der Zuschauer oder des Moderators zu beantworten. Er habe sich gleichwohl im Rahmen des Zumutbaren bemüht, die Anruferin L von krankheitsbezogenen Aussagen abzuhalten. Ferner habe der Sender R durch Schrifteinblendungen klargestellt, dass die Äußerung von Anrufern nicht auch die Meinung des Senders R wiedergäben.
Bei einer Auslegung des § 18 LMBG im Sinne des Klägers werde gegen Art. 5 und 12 des Grundgesetzes verstoßen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Beklagten streben mit ihrer Berufung weiterhin die Abweisung der Klage an. Sie sind der Ansicht, das Landgericht habe seiner Entscheidung zu Unrecht den Vortrag des Klägers zu der vermeintlichen Verletzungshandlung zugrunde gelegt. Den Vortrag des Klägers über diese Sendung hätten sie zu Recht mit Nichtwissen bestritten, da vom Beklagten zu 2) nicht gefordert werden könne, sich an alle Äußerungen im Verlauf einer 2stündigen Sendung zu erinnern. Zudem habe der Kläger in dem Sendeprotokoll die Einspielungen des Senders R nicht berücksichtigt und somit zumindest unvollständig vorgetragen. Entscheidend sei der Gesamteindruck der Werbung. Das Landgericht habe daher berücksichtigen müssen, dass der Moderator die Zuschauer und Anrufer wiederholt darauf hingewiesen habe, dass man sich von gesundheitsbezogenen bzw. krankheitsbezogenen Aussagen von Anrufern distanziere und dass derartige Aussagen nicht getroffen werden dürften. Auch diese ihm bekannten Hinweise habe der Kläger nicht vorgetragen.
Unter Hinweis auf den Rechtsstreit 4 U 167/04 OLG Hamm werfen die Beklagten dem Kläger mit näheren Ausführungen vor, das Vorgehen sei rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG), der Kläger habe die Ansprüche mit einer Klage geltend machen können.
Ferner vertiefen sie ihre Rechtsansichten zur Frage der Zurechenbarkeit der Aussagen von Anrufern bei derartigen Werbesendungen und dazu, dass ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 LMBG nicht vorliege, da sie keine krankheitsbezogenen Aussagen Dritter verwendet hätten. Eine Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 LMBG in der Form, wie sie das Landgericht vorgenommen habe, führe zu einem Verstoß gegen Art. 5 und 12 GG.
Der Vertragsstrafenanspruch sei nicht verwirkt, da sich die Unterlassungserklärung nur auf ihre eigenen Aussagen, nicht aber auf die Zurechnung von Aussagen Dritter beziehe, so dass ein kerngleicher Verstoß nicht gegeben sei.
Letztlich regen die Beklagten an, wegen der ihrer Meinung nach bestehenden Verfassungswidrigkeit von § 18 Abs. 1 LMBG nach Art. 100 Abs. 1 GG zu verfahren.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist insoweit, als sie sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung wenden, unbegründet, während die Berufung der Beklagten zu 1) gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vertragsstrafe Erfolg hat.
Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch des Klägers zu Recht bejaht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger klagebefugt, da der Missbrauchstatbestand des § 8 Abs. 4 UWG nicht erfüllt ist. Der Kläger hat hier im Hinblick auf das Verfahren 4 U 167/04 OLG Hamm nicht mehrere, in einer Werbeaktion enthaltenen Verstöße ohne sachlichen Grund aufgespalten und mehrere Klagen nacheinander erhoben, obwohl er sie mit einer Klage hätte geltend machen können (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 8 Rdn. 4.14).
Es geht nämlich nicht wie die Beklagten meinen um eine "Rechtsthematik", sondern um verschiedene Verstöße, bei denen die jeweiligen Einzelheiten dafür maßgebend sind, ob ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 LMBG vorliegt oder nicht. Von daher besteht ein sachlicher Grund, die tatsächlich unterschiedlichen Komplexe, bei denen unterschiedliche Produkte betroffen sind, zum Gegenstand eigener Verfahren zu machen. Das gilt auch für die weiteren, von den Beklagten angeführten Verfahren (s. Bl. 139 d.A.).
Im Hinblick darauf, dass der Unterlassungsanspruch, dem eine Verletzungshandlung vom 9. Mai 2004 zugrunde liegt, in die Zukunft gerichtet ist, ist das Landgericht insoweit zutreffend von der Anwendung der Bestimmungen des UWG in der Fassung vom 3. Juli 2004 ausgegangen. Allerdings besteht der auf eine Wiederholungsgefahr gestützte Anspruch nur dann, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig gewesen ist (vgl. u.a. BGH GRUR 2005, 442 - direkt ab Werk).
Demnach beruht der Unterlassungsanspruch zum einen auf den §§ 13 Abs. 2 Nr. 2; 1 UWG a.F. und zum anderen auf den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG, und zwar jeweils i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG.
Ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG führte zu einem Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F., da es sich bei § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG um eine wettbewerbsbezogene Norm handelt, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln. Der Kläger wäre auch gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ohne weiteres befugt gewesen, einen solchen Anspruch geltend zu machen. Der Verstoß wäre des weiteren geeignet gewesen, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen, da es um Belange des Verbraucherschutzes im Bereich der Gesundheit ging.
Nicht anders stellt sich der in die Zukunft gerichtete Anspruch dar.
Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagten nach § 8 Abs. 1 UWG zu, weil diese mit der beanstandeten Verwendung der krankheitsbezogenen Äußerungen zum Produkt "Augen-Kapseln" unlauter gehandelt und damit gegen § 3 UWG verstoßen haben.
Unlauter i.S.d. § 3 UWG handelt nach § 4 Nr. 11 UWG insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche wettbewerbsbezogene Vorschrift ist § 18 Abs. 1 LMBG. Diese Norm ist genauso wie § 11 LMBG jedenfalls dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH GRUR 2004, 1037, 1038 - Johanniskraut). Ein solcher Verstoß ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.
Hier liegt ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG vor, da die Beklagten in der Werbung für Lebensmittel Äußerungen Dritter in Form von Aussagen, die sich auf die Linderung von Krankheiten beziehen, im Sinne dieser Vorschrift verwendet haben.
Dabei ist das Landgericht von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen, indem es das vom Kläger wiedergegebene Gespräch so als unstreitig geführt angesehen hat. Es hat dabei zu Recht auf § 138 Abs. 4 ZPO abgestellt. Denn die Beklagten haben erstinstanzlich nur mit Nichtwissen bestritten, dass das Gespräch so abgelaufen sei, wie es der Kläger dargestellt hat. Das ist aber unzulässig, da es sich um eigene Wahrnehmungen des Beklagten zu 2) gehandelt hat, der an dem Gespräch teilgenommen hat. Auf die Dauer der Sendung kommt es dabei nicht an, zumal die Beklagten die Aufzeichnung des Gesprächs auf einem Videoband selbst als Beweismittel anführen.
Der Vorwurf, der Kläger habe Einspielungen des Senders und Erklärungen des Moderators, mit denen sich diese von gesundheits- und krankheitsbezogenen Aussagen der Zuschauer distanziert hätten, (manipulatorisch) bewusst weggelassen, geht gleichfalls ins Leere. Es kam dem Kläger erkennbar auf das Gespräch in der konkreten Form an, wie es im Antrag wiedergegeben worden ist. Im Übrigen ist es unstreitig, dass es während der Sendung zu Einblendungen und Erklärungen des Moderators gekommen ist.
Bei der besagten Fernsehsendung handelt es sich um eine vom Sender R verbreitete Werbeveranstaltung für das von der Beklagten zu 1) vertriebene Produkt "Augen-Kapseln". Das Gebot sachlicher und objektiver Verbraucheraufklärung und das Verbot krankheitsbezogener Werbung gilt auch für die Beklagten, wenn sie sich an einer solchen Veranstaltung beteiligen, und zwar unabhängig davon, ob der Sender R in der Sendung bereits bei der Beklagten zu 1) angekaufte Waren vertreiben oder den Absatz solcher Produkte nur vermitteln will. In jedem Fall dient die Sendung auch dem Zweck, für den Absatz der Produkte im Interesse der Beklagten zu 1) zu werben. Das ergibt sich schon aus der Art der Veranstaltung.
Die "Augen-Kapseln" sind aus Sicht der Verbraucher Nahrungsergänzungsmittel und damit Lebensmittel.
Die Anruferin L, die sich zu den "Augen-Kapseln" geäußert hat, ist Dritte i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG, wie das Gespräch deutlich zeigt. Eine lobende mündliche Aussage im Fernsehen ist als Äußerung einer Dritten anzusehen. Die in der Vorschrift angeführten Dank, Anerkennungs- und Empfehlungsschreiben sind nur beispielhaft genannt, um den Schutzbereich deutlich zu machen (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 18 LMBG Rdn. 30).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ging es um Aussagen der Anruferin L, die sich auf die Linderung einer Krankheit, nämlich Makuladegeneration, bezogen. Nachdem die Anruferin erklärt hatte, sie leide unter Makuladegeneration, meinte der Beklagte zu 2), sie könne sagen, die Augenkapseln täten ihr z.B. supergut. Dem entsprach die Anruferin mit den Worten: "Ja das tun sie, sogar sehr gut". Allein darin liegen schon Dank und Anerkennung für die Linderung ihrer Krankheit, denn wenn etwas in dem Zusammenhang mit einer derartigen Krankheit gut tut, dann lindert es die Krankheit (vgl. auch dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 31).
Die Schlussaussage der Anruferin kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur so verstanden werden, dass der Krankheitsverlauf auf ihrem rechten Auge zum Stillstand gekommen ist. Das beinhaltet ebenfalls die Äußerung zumindest zu einer Linderung ihrer Krankheit verbunden mit einem Dank. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankheit im Alter mit vorschreitendem Sehverlust bei Erhalt des peripheren Gesichtsfelds verbunden ist, so dass Stillstand gleichsam ein Fortschritt ist.
Die Beklagte zu 1) hat diese krankheitsbezogene Drittäußerung auch für ihre Werbung verwendet. Der Begriff der Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel setzt nicht voraus, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass bloß auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne vom Dritten angesprochene Krankheiten verhüten. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was die Vorschrift verhindern will. Der Eindruck, die "Augen-Kapseln" könnten die Erscheinungen der Makuladegeneration lindern und den Krankheitsverlauf zum Stillstand bringen, ist in der Werbesendung bei den Zuschauern entstanden.
Dabei ist es entgegen der Einschätzung der Beklagten zu 1) nicht entscheidend, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant und zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerung braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen. Es würde für eine Verwendung der Äußerung der Anruferin sogar ausreichen, wenn die Beklagte zu 1) es geduldet hätte, dass im Rahmen einer reklamehaften Anpreisung ihrer Produkte in einer Sendung Werbeaussagen Dritter so einbezogen würden, dass bei den Verbrauchern der Eindruck entstünde, die Aussagen seien Teil der zu vermittelnden Werbeinformation. Hier hat aber der Beklagte zu 2) sogar aktiv in dieses Geschehen eingegriffen, indem er die Anruferin mit dem Hinweis, sie könne sagen, die "Augen-Kapseln" täten ihr z.B. supergut, zu der Anpreisung des Produkts gebracht hat, mit der sie die Linderung ihrer Krankheit bekundet hat. Er hat damit eine krankheitsbezogene Äußerung, also eine verbotene Werbeaussage, nicht nur nicht verhindert, sondern aktiv gefördert. Bei einem solchen Verhalten können die von den Beklagten angeführten Vorsorgemaßnahmen, durch die derartige Äußerungen verhindert werden sollen, von vornherein nicht greifen.
Außerdem hat sich der Beklagte zu 2) von der Schlussäußerung der Anruferin in keiner Weise distanziert, um dem Eindruck entgegenzuwirken, die Aussage sei Teil der Werbung der Beklagten zu 1).
Die Beklagte zu 1) haftet für den Rechtsbruch im Rahmen ihres eigenen Handelns oder Duldens. Um einen Fall der sog. Störerhaftung geht es hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.
Der Senat teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten an der Wirksamkeit des § 18 Abs. 1 LMBG. Die Vorschrift ist in dem Entwurf des LFGB erneut so gefasst worden und steht auch im Einklang mit dem europäischen Lebensmittelrecht. Das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung ist durch ganz erhebliche Interessen der Allgemeinheit, insbesondere der Volksgesundheit gerechtfertigt und kann deshalb die Grundrechte der Gewerbetreibenden aus Art. 5 und 12 GG einschränken. Lebensmittel sollen grundsätzlich nicht der Verhütung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten dienen. Insbesondere soll die Furcht vor Krankheiten nicht für Werbeaussagen instrumentalisiert oder der Verbraucher davon abgehalten werden, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen (vgl. BGH GRUR 1998, 493 - Gelenk-Nahrung). Auch die weite Auslegung des Verwendungsbegriffs stellt in Anbetracht dieses Schutzzweckes keine Verletzung der Grundrechte der Beklagten aus Art. 5 und 12 GG dar. Sie soll ausschließlich einer Umgehung der Schutzvorschrift entgegenwirken. Schließlich ergibt sich auch keine Besonderheit daraus, dass es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt. Grundsätzlich gelten auch insoweit dieselben Bestimmungen wie für alle Lebensmittel. Außerdem ist in § 1 Abs. 1 Nr. 1 NemV geregelt, dass krankheitsbezogene Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln verboten ist. Aus den schon genannten Schutzzwecken darf auch insoweit in der Werbung kein Krankheitsbezug vorgenommen werden.
Dagegen kann der Kläger von der Beklagten zu 1) nicht die Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € aufgrund der Unterwerfungsvereinbarung i.V.m. § 339 S. 2 BGB verlangen. Die Beklagte zu 1) hat versprochen, es zu unterlassen, mit der Aussage zu werben, "Augen-Kapseln schützen vor Makuladegeneration". Diese Aussage bezieht sich auch auf einen vorbeugenden Einsatz, der sich auf gesunde Adressaten erstreckt, die damit das Entstehen der Krankheit verhindern können sollen, also der Verhütung dienen. Da der Wortlaut der Erklärung eindeutig ist und Prophylaxe nicht mit Behandlung und Linderung gleichgesetzt werden kann, beides auch nicht in einem "Erst recht"-Verhältnis zueinander steht, scheidet ein Verstoß durch die hier beanstandeten Aussagen aus. Es handelt sich eben nicht um einen kerngleichen Verstoß, zumal auch in der Abmahnung lediglich von Verhütung die Rede gewesen ist. Eine Generalisierung der Aussage dahin, damit seien jegliche krankheitsbezogenen Äußerungen zu unterlassen, ist zu weitgehend, zumal auch ein anderer Adressatenkreis für die Aussage hier Erkrankte, dort Gesunde gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, wobei das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Konkretisierung des Unterlassungsantrags in der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2004 nicht als teilweise Klagerücknahme zu werten war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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